Ich schlucke die Rosine und denke mir “Oh mein Gott, schmeckt das furchtbar!” Erst in diesem Moment wird mir klar, dass ich Rosinen nicht ausstehen kann und ich frage mich wahrhaftig, wie ich so alt werden konnte, ohne das zu bemerken. Bin ich echt so unachtsam mit mir selbst, dass ich nicht mal mehr erkenne, dass mein Körper bestimmte Nahrungsmittel nicht mag? Anscheinend. Da ist auch der Grund warum ich in dieser Minute im MBSR (Mindfulness-Base Stress Reduction) Training sitze – ich will zurück zu mir, auch wenn diese Übung mich dazu bringt mir die Frage zu stellen: War ich schon jemals bei mir? Diese Reise zu mir bin ich zumindest bei der Anmeldung zum Kurs schon mal angetreten. Eine Reise zu der unter anderem auch die Rosinenübung gehört, die ich bei der ersten Stunde kennenlernen durfte und jetzt mit dir teilen möchte. Denn – soweit ich das beurteilen kann – scheint sie einem die Augen zu öffnen.
Drei Grundprinzipien der Achtsamkeit
Achtsamkeit geht nicht einfach so. Wir leben in einer Welt in der uns die Achtsamkeit für Dinge, Natur, Menschen und uns selbst abhandengekommen ist. Wir müssen lernen uns und anderen wieder achtsamer zu begegnen. Dazu gibt es Methoden, die man neu erlernen muss. Ein Prozess der – vor allem mir – nicht sehr leicht fällt. Die Rosinenübung zielt vor allem auf drei Grundprinzipien der Achtsamkeit ab, die definitiv während der Übung nicht immer leicht umzusetzen sind:
- Absichtsvoll sein
Sich Zeit nehmen für etwas und dabei bewusst in der Handlung/ Zeit/Raum zu bleiben. - Im Jetzt sein & bleiben
Die Aufmerksamkeit auf das Jetzt – auf den Moment zu ziehen und vergangenes als auch zukünftiges loslassen. - Nicht werten
Den Moment, die Rosine, die Situation, die eigenen Gedanken – alles was passiert soll wertfrei sein. Sich von dem Lösen, was wir ständig tun, fällt mir am schwersten. Ich werte immer und alles.
Die Grundprinzipien klingen einfach, sind es aber nicht. Vor allem die Situation nicht zu werten, während man eine Rosine anstarrt, fällt mir persönlich besonders schwer. Und es kommen dann auch Dinge hoch, wie z.B. in meinem Fall kam bei der ersten Übung sofort das Gefühl der Lächerlichkeit hoch, wohl weil ich ein Thema mit dem “sich selbst wichtig nehmen” habe – rückblickend gesehen, denn bei der Übung habe ich natürlich keine Wertung abgegeben.
Die Rosinenübung Schritt für Schritt
Hole dir ein paar Rosinen und eine Serviette. Suche dir einen Ort, in dem du dich entspannen kannst und wo du die nächsten 10-15 Minuten ungestört sein kannst. Achte dabei darauf, dass du dich an diesem Ort wohlfühlst du gut sitzen kannst und dich auch nicht dein Rücken oder deine Position stören kann. Wichtig ist, dass du dich ganz den Moment hingeben kannst und nicht an andere Dinge denken musst, wenn du dort sitzt.
Setze dich aufrecht hin und bleibe mit beiden Füßen am Boden. Diese Erdung hilft mir persönlich oft damit ich “da bleibe” und nicht abschweife. Dann nimm deine Serviette mit 2-3 Rosinen in die Hand, atme dreimal tief durch und stelle dich auf 10 Minuten Achtsamkeit ein. Wähle dann eine Rosine aus deiner Hand aus und gehe folgende Schritte durch.
- Sehe dir die Rosine genau an
Wie sieht sie aus? Wie würdest du sie einer Freundin beschreiben? Wie viele Rillen hat sie? Welche Form hat sie? Welche Farbe hat sie? Verändert sie sich bei unterschiedlichem Lichteinfall? Betrachte sie ganz genau. - Berühre die Rosine
Wie fühlt sie sich an? Kannst du was ertasten? Ist sie weich? Lässt sie sich zusammendrücken? Hier kannst du auch gerne die Augen schließen, um es besser zu ertasten. - Höre die Rosine
Bringe die Rosine neben dein rechtes Ohr und bewege sie zwischen deinen Fingern oder drücke sie – hörst du was? Was hörst du? Mache das gleiche auch noch mal am linken Ohr – ist es anders? - Rieche die Rosine
Bringe die Rosine zu deiner Nase. Wonach riecht sie? - Schmecke die Rosine
Lege die Rosine auf deine Zunge und bewege die Rosine hin und her. Schmecke sie. Was bemerkst du? Wie schmeckt sie? - Beiße die Rosine
Wie schmeckt die Rosine jetzt? Was nimmst du wahr? Wie fühlt sich das an? - Schlucke die Rosine
Schlucke die Rosine langsam hinunter und begleite sie bewusst auch in der Speiseröhre. Was nimmst du wahr? Wie fühlt sich das an? - Nachbetrachtung
Was bleibt, nachdem die Rosine weg ist? Hat sie geschmeckt? Oder nicht? Wie fühlt sich das an?
Bleibe noch etwas sitzen, öffne deine Augen und achte darauf, was du gerade so fühlst und wie diese 10 Minuten für dich waren. Wie war diese Übung für dich? Je schwerer es für dich war, desto öfter solltest du sie machen. In meinem Fall wird das noch eine lange Reise, da ich viel Wut und Unbehagen gespürt habe während der Übung – vielleicht muss ich ein anderes Nahrungsmittel nehmen – who knows.
Versuche achtsamer zu Essen
Die Rosinenübung hilft dir dabei zu lernen achtsamer zu essen. Dabei geht es bei achtsamen Essen ja nicht nur darum, was man isst, sondern vor allem wie man es isst. Es geht darum sich darauf einzulassen die Aufmerksamkeit für ein paar Minuten auf das Nahrungsmittel zu fokussieren und damit auch neue Erfahrungen zu machen. So wie bei mir die Erfahrung, dass ich Rosinen nicht mag.
Frage an dich: Hast du schon die Rosinenübung gemacht? Wie war das für dich? Freue mich auf dein Kommentar!
